Keine Haftung des Verkäufers für fehlerhafte Angaben in Energieausweisen

11 Juni 2015

Keine Haftung des Verkäufers für fehlerhafte Angaben in Energieausweisen

OLG Schleswig, 13.3.2015 – 17 U 98/14
Die bloße Aushändigung eines Energieausweises durch den Makler führt nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 BGB.

Der Beklagte beauftragte in 2009 einen Makler das Grundstück samt Haus Baujahr 1934 zu veräußern. Er ließ einen Energieausweis ausstellen und überreichte ihn dem Makler. Letzterer gab den Energieausweis, kurz vor dem Abschluss des Kaufvertrags im Februar 2011, an den Käufer weiter. Nach dem ersten Winter kam es zum Streit, ob der Energieausweis inhaltlich richtig sei und der Verkäufer legte im Januar 2014 einen korrigierten Energieausweis vor. Der Sachverständige der Käufer schätzte den Minderungswert aufgrund des fehlerhaften Energieausweises auf 22.000 Euro ein. Der Verkäufer lehnte die Forderungen ab. Das Landgericht Schleswig-Holstein gab dem Verkäufer am 7. November 2014 Recht und das Oberlandesgericht bestätigte am 28. Februar 2015 auch dieses Urteil.

Worüber stritten die Parteien?
Ob dem Käufer für die fehlerhafter Angaben im Energieausweis des erworbenen Wohnhauses ein Ausgleich für den behaupteten Minderwert zusteht. Aufgrund des notariellen Kaufvertrags in 2011 erwarben die Käufer vom Verkäufer ein Grundstück mit einem 1934 erbauten Einfamilienhaus.
Im Vertrag hatten die Parteien unter der Überschrift „Gewährleistung“ Folgendes vereinbart: „Der Verkauf erfolgt im übrigen …wie besehen und unter Ausschluss jeglicher Haftung für Fehler und Mängel, gleich welcher Art. Von dem Haftungsausschluss ausgenommen sind Ansprüche des Käufers auf Schadensersatz aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, wenn der Verkäufer die Pflichtverletzung zu vertreten hat, und auf Ersatz sonstiger Schäden, die auf einer vorsätzlichen oder grobfahrlässigen Pflichtverletzung des Verkäufers beruhen. Einer Pflichtverletzung des Verkäufers steht die seines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen gleich.“
Wie ist der Streitfall verlaufen?
Der Verkäufer bewohnte das Haus vor dem Verkauf jahrelang selbst. In dieser Zeit entfernte er im Obergeschoss die Decke zum Spitzboden heraus und richtete auf der erhöhten Ebene sein Schlafzimmer ein. 2009 beauftragte er einen Makler das Grundstück/Haus zu verkaufen. Der potenzielle Käufer hatte den Makler auf den Energieausweis angesprochen, den es zu der Zeit noch nicht gab. Deshalb beauftragte der Verkäufer einen ihm bekannten Sachverständigen einen Energieausweis auf der Grundlage des Energiebedarfs auszustellen. Noch vor dem Abschluss des Kaufvertrages überreichte der Makler dem Verkäufer den Energieausweis.
Energieausweis war fehlerhaft!
Der erste Energieausweis wies als Jahres-Primärenergiebedarf beispielsweise 264 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/(m² a)), einem jährlichen Bedarf an Heizöl-EL von 188,8 aus. Der Aussteller hatte das Wohnhaus nicht besichtigt, die Maße und Angaben hatte er vom Verkäufer übernommen.
Die Käufer und der Verkäufer diskutierten weder während des Vertragsabschusses beim Notar noch sonst über die Angaben im Energieausweis und der Projektdokumentation.
Später jedoch stellten die Käufer fest, dass der Energieausweis nicht korrekt war und verklagten den Verkäufer. Letzterer legte daraufhin einen korrigierten Energieausweis vom 22. Januar 2014 vor. Dieser wies nun einen Jahres-Primärenergiebedarf von 279 kWh/(m² a) und einem jährlichen Energiebedarf an Heizöl-EL von 201,7 aus.
Wie wurden die fehlerhaften Angaben aufgedeckt?
Die Käufer behaupten, sie hätten die Projektdokumentation mit dem Energieausweis vom Makler in digitalisierter Form erhalten und an einen Architekten weitergeleitet mit der Anfrage, welche Investitionen auf sie zukommen würden. Dieser besichtigt zwar das Haus, gibt jedoch anhand des Energieausweises und der Projektdokumentation an, dass die neuen Eigentümer wohl 5 bis 10 Jahre „Ruhe mit dem Haus“ hätten. Den Architekten hatten die Käufer insbesondere auf energetische Maßnahmen angesprochen, da sie bislang in einer Wohnung mit sehr hohem Heizwärmebedarf gelebt hatten.
Im Winter 2011/2012 stellen sie jedoch fest, dass sich die Räume des gekauften Hauses nicht ausreichend beheizen lassen. Im August 2012 hatte ihnen ein Dachdecker mitgeteilt, dass das Dach nicht mit einer Stärke von 14 cm gedämmt sei. Allerdings hätte ihrer Meinung nach der Verkäufer auch bereits gewusst, dass das Dach nicht hinreichend gedämmt sei und dass sich das Dachgeschoss nicht ausreichend beheizen lässt. Dem Verkäufer unterstellen die neuen Eigentümer, dass er auch gewusst hätte, dass der beauftragte Sachverständige unzutreffende Angaben gemacht hätte.
Die Verteidigung des Verkäufers?
Der Verkäufer verteidigt sich mit den Argumenten, dass er den Energieausweis nur auf Anraten des Maklers habe erstellen lassen, ohne dass ihm bekannt gewesen sei, welche Informationen der Aussteller benötigen würde.
Es sei allerdings offensichtlich zu einem Missverständnis zwischen ihm und dem Aussteller gekommen, als dieser nach der Stärke der Dämmung des Dachgeschosses gefragt habe. Er selbst habe erwidert, dass er eine 14 cm starke Dämmung im Spitzboden am Giebel eingebaut habe. Dabei sei er von dieser Stärke ausgegangen, weil er unterstellt habe, die Sparrenstärke entspreche der Stärke der Deckenbalken.
Das Dach habe er nicht geöffnet. Er meine auch, dass er im Jahre 1987 die Sparren voll ausgefüllt habe. An Einzelheiten könne er sich nicht mehr erinnern. Zu den Dämmstärken im Bereich des übrigen Daches habe er keinerlei Aussagen getroffen. Das Mittelgeschoss sei ebenfalls 1987 von einem Unternehmen ausgebaut worden, ohne dass er wisse, welche Dämmung dort eingebaut worden sei. Die übrigen Angaben in der Projektdokumentation seien ihm völlig unbekannt.
Das Landesgericht wies die Klage ab!
Begründung: Ein Sachmangel liegt nicht vor, da von einem 77 Jahre alten Haus keine Wärmedämmung nach dem Stand der Technik des Jahres 2011 erwartet werden könne.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Energieausweis. Für dessen Richtigkeit habe der Verkäufer nicht einstehen wollen. Dafür spreche insbesondere, dass seinerzeit noch nicht einmal die Pflicht zur Übergabe eines Energieausweises bestanden habe.
Im Feld „Hinweise zur Verwendung des Energieausweises heißt es:
„Der Energieausweis dient lediglich der Information. Die Angaben im Energieausweis beziehen sich auf das gesamte Wohngebäude oder den oben bezeichneten Gebäudeteil. Der Energieausweis ist lediglich dafür gedacht, einen überschlägigen Vergleich von Gebäuden zu ermöglichen.“
… in der Ermächtigungsnorm des § 5a EnEG heißt es in Satz 3: „Die Energieausweise und die Angaben aus den Energieausweisen, die auf Grund einer Verordnung nach Satz 2 Nummer 6 in Immobilienanzeigen in kommerziellen Medien genannt werden müssen, dienen lediglich der Information.“ Und auch aus den Gesetzesmaterialien zur EneV (BR-Drs. 282/07, S. 118 f. zu Abschnitt 5) ergibt sich „dass Rechtswirkungen in Kauf- oder Mietverträgen in der Regel nur dann entstehen, wenn die Vertragsparteien den Energieausweis ausdrücklich zum Vertragsbestandteil machen“.

Die Käufer seien davon ausgegangen, dass das Energiegutachten schon richtig sein werde. Bei der Beurkundung sei nicht über das Gutachten gesprochen worden.

Käufer gehen in die Berufung!
Die Berufung wird vom OLG abgewiesen!
Begründung
1. Die Käufer können eine Minderung nicht aufgrund eines vertraglichen Gewährleistungsanspruches gemäß dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) § 441 (Minderung), § 437 (Rechte des Käufers bei Mängeln) Nr. 2. 2. Var., § 434 (Sachmangel) verlangen. Denn trotz der von den Angaben im Energieausweis und der Projektdokumentation abweichenden energetischen Eigenschaften und der behaupteten schlechten Beheizbarkeit der oberen Etage weist das Hausgrundstück keinen Sachmangel auf.
2. Aber auch ein auf das negative Interesse gerichteter Anspruch der Käufers auf Ersatz des behaupteten Minderwertes des Hauses kommt weder nach BGB § 280 (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung), § 311 (Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse) Abs. 2 in Verbindung mit BGB § 241 (Pflichten aus dem Schuldverhältnis) Absatz 2 unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen eine vorvertragliche Aufklärungspflicht noch eines deliktischen Handelns nach BGB § 823 (Schadensersatzpflicht) Absatz 2 in Verbindung mit dem Strafgesetzbuch StGB § 263 (Betrug) in Betracht.

Quellen: Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht: Urteil vom 13.03.2015, Aktenzeichen 17 U 98/14 | 7 O 203/13 Landesgericht Itzehoe, www.schleswig-holstein.de | www.dnoti.de/entscheidungen | Redaktion EnEV-online.de

Stellungnahme von Andreas Gieß

1. Folgt man den o.g. Ausführungen, ist daraus zu schließen, dass ein Energieausweis soviel wert ist, wie das Papier auf dem es steht. Vielleicht nicht ganz, denn ein DIN A 4 80g Bogen stellt ja einen gewissen Gegenwert dar.
2. Es ist schon bedenklich, dass der „Energieberater“ (ich möchte ihn eigentlich nicht so nennen) einen Persilschein ausstellt, ausschließlich anhand von Angaben seines Auftraggebers.
Einem Sachverständigem würde man in einem ähnlich gelagerten Fall vermutlich grobe Fahrlässigkeit vorwerfen, wenn er ein Gutachten lediglich mit Angaben Dritter erstellt.
3. Das Grundübel liegt allerdings nicht zwingend an diesem Energieberater, sondern bereits an der rechtlichen Verbindlichkeit/Aussage eines Energieausweises.
Zitat: „Der Energieausweis dient lediglich der Information. Die Angaben im Energieausweis beziehen sich auf das gesamte Wohngebäude oder den oben bezeichneten Gebäudeteil. Der Energieausweis ist lediglich dafür gedacht, einen überschlägigen Vergleich von Gebäuden zu ermöglichen.“
Kann man es dem Berater verdenken, wenn er halt nur „überschlägig“ rechnet?
4. Wären die rechtlichen Forderungen / Voraussetzungen an die Richtigkeit der Ausweise (wesentlich) höher, evtl. auch mit Haftungsnahme, bin ich davon überzeugt, dass man den Aufschrei, über die Landesgrenzen hören würde. Auf der einen Seite mit Recht, denn wie soll man(n) einen energetischen Zustand / Verbrauch GENAU berechnen, wenn die zur Verfügung stehenden Basisdaten der Berechnungsmodelle (Formeln) schon fehlerhaft sind. Nicht zu vergessen, dass die genommenen Daten eh nur noch von einer Software berechnet werden, durch welche mancher Berater gar nicht mehr durchblickt (oder nicht mehr durchblicken kann)… geschweige überhaupt weiß, welche Berechnungsformeln in seinem Programm hinterlegt sind.
5. Was von Seiten des Käufers nicht nachvollziehbar ist, warum er sich nicht vom Verkäufer die Heiz- und Stromkosten-rechnungen der letzten Jahre hat zeigen lassen. Hier wäre es doch relativ einfach gewesen, den fehlerhaften Energieausweis zu „enttarnen“… Vor allem aber den Realen IST-Verbrauch.
6. Nun muss man auch sehen, dass der Sachverständige des Käufers auch keine gute Figur in dieser Sache gemacht hat. Nur durch grober Augenscheinnahme und dem Vertrauen darauf, dass der Energieausweis schon richtig, zu der Aussage zu kommen, dass man die nächsten 5-10 Jahre „Ruhe“ hat? Vor allem: Ruhe vor was? Ein Haus aus 1934, ohne energetische Maßnahmen (naja, vielleicht sind schon 2-fach verglaste Fenster drin :-)), zeugt nicht davon, dass man sich mal ein paar Jahre entspannt zurücklehnen kann. Zumindest hätte der Sachverständige darauf bestehen müssen, dass die Zwischensparrendämmung geprüft wird… wenn es vorher schon keiner gemacht hat.

Ein Altbau ist wie eine Pralinenschachtel. Man weiß nie was man bekommt!

Mit Sicherheit kann man allerdings mit Sachverstand den Deckel anheben. In diesem Sinne, frohes Altbaukaufen.

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