Fensterfalzlüfter vs. Rollläden

31 Mrz 2017

Fensterfalzlüfter vs. Rollläden

Seit Einführung der DIN 1946-6, Vorgaben der DIN 4108 und der ENEV 2014/16, ist es heute nicht mehr möglich ohne ein Lüftungskonzept einen Neubau oder die Sanierung im Bestandsbau zu planen/auszuführen. Die Forderung nach dem „Mindestluftwechsel für den Feuchteschutz“ ist zwar schon lange gefordert, nun aber mit der Beigabe der Nutzerunabhängigkeit. Soll heißen, der notwendige Mindestluftwechsel muss ohne „Zutun“ der Bewohner erfolgen.

Im Neubau haben verschiedene Lüftungssysteme (zentral oder dezentral) Einzug gehalten welche, entsprechend der energetischen Anforderung an die Gebäudehülle, den kompletten Luftwechsel nutzerunabhängig realisieren. Also Fenster öffnen zwecks Lüftung grundsätzlich nicht mehr notwendig wäre.

Im Bestandsbau werden für energetische Sanierungen auch Fensterfalzlüfter eingesetzt, um den nutzerunabhängigen Mindestluftwechsel für den Feuchteschutz gemäß DIN 1946-6 sicherzustellen. Die Vorteile liegen klar auf der Hand: Kostengünstig, im Bauteil –Fenster- integrierbar und keine weiteren Maßnahmen an der Gebäudehülle erforderlich! Die Anzahl der falzintegrierten Lüfter einer Wohneinheit, ergeben sich aus dem Lüftungskonzept mit Angaben der notwendigen auszutauschenden m³/h-Luftmenge.

Soweit so gut, denkt man! … bis es dunkel wird und die Rollläden geschlossen werden.

Dann sind alle guten Lüftungsberechnungen für die Katz. Schlimmer noch: Falls der Mindestluftwechsel ausschließlich über die Fensterfalzlüfter erfolgt (LUV-LEE), findet dieser bei geschlossenen Rollläden nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr statt. Somit auch der nutzerunabhängige Mindestluftwechsel nicht mehr gewährleistet ist.

 

Bautechnische und bauphysikalische Probleme bei Fensterfalzlüfter mit geschlossenen Rollläden:

Neue Rollläden gelten heute als energetisches Bauteil der Fassade, welcher im geschlossenen Zustand energiesparende Wirkung hat. Dieser Forderung kommen auch die Hersteller nach und bauen u.a. die Panzer in kerngedämmten Ausführungen oder bilden die Anschlussbereiche immer dichter aus, an Rollladenführungsschienen und am Panzereinlauf zum Rollladenkasten durch Bürsten- oder Kederdichtungen. Das dient nicht nur der Laufruhe sondern auch der Dichtheit, allerdings steht die Dichtheit der Wirkung von Fensterfalzlüfter kontraproduktiv entgegen!

  1. Im Zeitraum geschlossener Rollläden wird die Forderung des nutzerunabhängigen Mindestluftwechsels für den Feuchteschutz nicht mehr oder nur noch begrenzt erfüllt.
  2. Sollten ausschließlich Fensterfalzlüfter für Zu- und Abluft eingesetzt werden, kann es auf der LEE-Seite dazu führen, dass sich die abströmende warme Raumluft auf der raumseitigen Oberfläche der Rollladenpanzer als Tauwasser niederschlägt und bei besonders kalten Tagen zu Vereisungen führen kann. Des Weiteren werden die Falzbereiche der Fenster mit abströmender Raumluft penetriert, welche im schlimmsten Fall auch im Bereich des Fensterblendrahmens zu Tauwasserausfall führen kann.
  3. Sollten Vereisungen entstehen und der Nutzer diese nicht visuell erkennt, kann es bei Betätigung des Rollladens zu Problemen bei der Öffnung bis hin zum Schaden kommen. Dies gilt besonders, wenn die Anlagen elektronisch bedient oder automatisiert verfahren. Ein Schaden an Motoren/Steuerung/Rollladenpanzer ist nicht auszuschließen.
  4. Sollte lediglich nur „unauffälliges“ Kondensat am Rollladenpanzer vorhanden sein, wird dies auch wegen zunehmender Automatisierung des Antriebs nicht visuell festgestellt. Somit fährt der Panzer auch „nass“ in den Kasten, welcher dessen angrenzende Bauteile penetriert mit möglichen Auffeuchtungen und Schimmelpilzbildungen.
  5. Wird der nutzerunabhängige Mindestluftwechsel nicht durchgängig sichergestellt, kann es zur Erhöhung der raumseitigen rel. Luftfeuchte führen, welche entsprechend der energetischen Qualität der Gebäudehülle zu Schimmelpilzbildung an vorher eher unauffälligen Bauteilbereichen oder im Falzbereich des Fensterblendrahmens führt.

 

Planer und Fensterbauer sind gut beraten, wenn das Thema „geschlossene Rollläden“ mit Fensterfalzlüfter in der Planung berücksichtigt wird. Das wird beim Architekt/Bauherr zwar nicht populär sein, schützt aber den Unternehmer vor möglichen Streitigkeiten im Schadenfall.

  1. Falls nur Fensterfalzlüfter für Zu- und Abluft geplant werden, muss sichergestellt sein, dass die Luftleistung auch bei allen „geschlossenen“ Rollläden gewährleistet ist, also die notwendige Luftleistung durch den Panzer schaden- und vereisungsfrei abgeführt werden kann. Mögliche Maßnahmen wären werksseitige Aussparungen an den unteren Abschlussschienen und Luftschlitze an den oberen Panzerlamellen. Dies nur als erste Idee, welche noch einer Überprüfung bedarf. Solche Maßnahmen haben allerdings den Nachteil, dass eine gänzliche Verdunklung nicht mehr möglich wäre… Eine Kröte, welche nicht jeder Bauherr schlucken wird.
  2. Wenn Fensterfalzlüfter –  dann in Verbindung mit volumengesteuertem Abluftventilator: Aus meiner Sicht die aktuell klügste Option. Aber auch mit Ventilator müssen die Rollladenpanzer die entsprechende (Zu-)Luftleistung sicherstellen und der Ventilator gegen Abschaltung durch die Nutzer geschützt werden.
6 Comments
  • J. Thomas Kretzschmar sagt:

    Guten Tag.
    Wir wohnen in der Wohnung seit der Fertigstellung vor 12 Jahren, haben niemals Stockflecken, obwohl wir eine Starke Wärmedämmung hatten und immer nur manuell lüften. der Wohnraum ist über zwei Etagen und offen, d.h. ohne Türen. Unser Vermieter sah sich genötigt uns mit den besagten Fensterfalzlüftern in beiden Etagen zu beglücken zu beglücken. Das war vor zwei Jahren.
    Die Erfahrung seit dem ist, dass es ständig zieht auch wenn alle Fenster geschlossen sind. Nach den ersten Wochen haben wir in der oberen Etage die Lüftungsschlitze angeklebt später alle. trotzdem bleibt ein Gefühl der Kälte. Wir bekommen mit den bisherigen Heizgewohnheiten , ausschließlich Kaminofen, die Wohnung nicht mehr warm.

    Immerhin ist die Wärmeisolierung der Fenster bewusst zerstört. Das Schließen der Rolläden im Winter ist die Einzige Möglichkeit den ungewollten Wärmetausch mit der Außenluft zu mindern.

    Daumen nach unten bei der Zwangslüftung.

    Sind evtl. bei uns Umsetzungsfehler gemacht worden? Und bekommt man sie problemlos zurückgekauft ?.

    • Hallo Herr Kretschmar,
      fraglich ist warum die Maßnahme durchgeführt wurde, wenn Ihrerseits keine Probleme angezeigt wurden.
      Es scheinen Fehler in der Umsetzung gemacht worden zu sein. Evtl. bestand kein Lüftungskonzept und man hat die Falzlüfter willkürlich in Position und Menge eingebaut.
      Fraglich aber auch, warum ein 12 Jahre altes Gebäude ausschließlich mit einem Kaminofen beheizt wird.

  • Andreas Gieß sagt:

    Hallo Helga,
    Das löst aber nicht das Problem des nutzerunabhängigen Mindestluftwechsels für den Feuchtschutz.

  • helga sagt:

    Ausgewogene Hinweise! Die Tipps nehmen wir zur Acht, weil wir sind eben auf der Suche nach den neuen. Statt Rollläden scheinen mir die Folien in solchem Fall viel praktischer. So werden die Probleme beseitigt und zugleich auch ein guter Sonnenschutz geleistet.

  • Jörg Rohde sagt:

    Sehr geehrter Herr Gieß ,
    wir haben in unserem Neubau (2015) genau das von Ihnen beschriebene Phänomen. Nasse Rolläden wenn es kälter wird und diese ganz geschlossen sind – genau in der Flucht der Fensterfalzlüfter, die oben mittig am Fensterrahmen sind. Wenn wir die Rolläden zur Zeit nicht ganz schließen und manuell ein Stück wieder hochfahren ist dieses Problem nicht mehr vorhanden. Auf Kosten der von Ihnen erwähnten unvollständigen Rolladenschließung.
    Aber der Fensterrahmen und die Dichtungen sind im Bereich des Falzlüfters trotzdem naß.
    Was ist generell von Fensterfalzlüftern zu halten? Für mich machen Sie überhaupt keinen Sinn wenn man regelmäßig lüftet. Weiterhin hat man im Sommer das Problem, dass die Außenluft warm und feucht ist. Bei uns sind Fensterfalzlüfter auch im bewohnten Souterrain mit innenliegendem Bad (dieses hat einen Ablüfter der manuell ein und ausgeschaltet wird) und Schlafzimmer eingebaut und wir hatten auch schon Stockflecken an der Außenwand des Schlafzimmers und Abstellraumes im Soutterain, weil man die Luftfeuchtigkeit nicht unter 60% bekommt bzw nur mit Entfeuchter.
    Mit freundlichen Grüßen

    Jörg Rohde

    • Sehr geehrter Herr Rohde,
      ich kenne Ihren Neubau nicht, aber Fensterfalzlüfter dienen nicht der max. Entfeuchtung er Neubau-Gebäudehülle, sondern stellen NUR den Mindestluftwechsel-für-den-Feuchteschutz dar! Soll heißen, dass Sie trotzdem Lüftungen in Ihrem Haus durchführen müssen.
      Zu Ihrer Frage/Antwort zum Thema Fensterfalzlüfter: Was machen Sie in der Zeit, wenn Sie nicht zu Hause sind?
      Die Problemstellungen im Sommer sind nicht relevant zum Thema Fentserfalzlüfter, da die Außen- und Innenklimaten relativ gleich sind, also kein hohes Temperaur- und Dampfdruckgefälle vorhanden ist.
      Sie müssen sich in einem Neubau bewusst sein, dass die Ausgleichsfeuchte der Bauteile (besonders Beton) einer Gebäudehülle erst nach ca. 5 Jahren eingestellt ist.